Gamechanger von Ernie Ball / Music Man

  • 7. April 2011
  • Geschrieben von Andreas
  • Abgelegt unter Equipment

Ich verwette den Milchzahn eines einjährigen Einhorns darauf, dass ich mit folgender Situation nicht allein dastehe. Dir geht’s sicher hin und wieder ähnlich: Nach vielen, vielen Stunden Geklampfe daheim, in Proberäumen und Studios wie auch auf Bühnen unterscheidlichster Provenienz traust Du Dir und Deinen Ohrwascheln mittlerweile ein wenig Bildung zu. Das bedeutet unter anderem, dass Du durchaus in der Lage bist, den Großteil der angesagten Sounds selbst zu reproduzieren, plus Deine individuellen Eigenkreationen, die das Spektrum in die eine oder andere Richtung erweitern. Das bringt schließlich unter anderem möglicherweise mehr Jobs.

Hardware-Presets

Ist ja nicht so schwer. Dazu hast Du Dir eben über die Jahre hinweg daheim eine kleine, aber feine Menagerie mit Gitarren Deiner Wahl zugelegt – je nach Anforderung nimmst Du dann das Teil in die Hand, das dieser am ehesten entgegenkommt. Je mehr Auswahl, desto mehr Individualität. Ich habe, wenn es heiß hergeht und die “großen Drei”, Strat, Tele und Les Paul, irgendwie nicht “funzen”, als “Trumpfkarte” beispielsweise eine sauteure Hitech-Ibanez in der Hinterhand, die dank ihrer PU-Bestückung (HB-SC-HB) den Klangumfang meines Repertoires noch um jeweils ein Bottom- und ein High-End und einige “Problemzonen” erweitert. Und eine – ziemlich gemoddete – “Generic Strat” Marke “Billigsdorfer” mit aktiven Pickups und 3-Band-Klangregelung (parametrische Mitten!), die witzigerweise total retro klingt.

Epiphone Special II
Epiphone Special II – Paula für Arme

Meine Schätze:

  • Fender American Deluxe Strat
  • Fender Standard Telecaster
  • Gibson Les Paul Standard
  • Ibanez S5470 irgendwas
  • Harley Benton STAGG S-250 BK (80,- lol) mit DIY-3-Band-EQ und Seymour Duncan Humbuckern
  • Epiphone Special II (Les Paul Clone)
  • Irgendeine generische Yamaha Westerngitarre mit Fishman Pickup

Macht in meinem Fall zusammen sieben Ruder, die ich regelmäßig bespiele. Jede einzelne Gitarre hat ihre Vorteile – und beißt soundmäßig aber irgendwo ab. Eine Strat z.B. hat eben von Natur aus keinen Bottom-End-Hi-Output-Humbucker. Kann man nachrüsten, aber, ganz ehrlich, für Schweißer-Riffs ist eine Strat einfach nicht gebaut. Von der Tele ganz zu schweigen. Und die Ibanez sieht man zu oft. Und die Eigenkreation sieht irgendwie räudig aus – pfui! Alles in allem eine unbefriedigende Situation.

Der Weg ist das Ziel

Da stehen sie dann vor uns, unsere Objekte der Begierde – und der unerfüllten Wünsche, jede einzelne hat das gewisse Etwas, während ihr aber das andere gewisse Etwas fehlt, das dann dafür eine andere hat. Also spart man, legt sich halt noch ein überteuertes Kultobjekt zu, dass ja angeblich das kann, was die anderen nicht können. Kann es auch, aber es kann halt etwas anderes nicht. Und wieder zurück zum Start. Ich kenne da einen Berufsmusiker, der besitzt mittlerweile ganz genau 92 E-Gitarren. Und ist mit keiner einzigen davon hundertprozentig, nicht einmal neunzigprozentig glücklich.

Teuer, frustrierend – aber das ist halt so bei uns Ruderern. Die Krux der Branche.

Also beginnt man unweigerlich zu träumen: “Was wäre, wenn es eine Gitarre gäbe, die soundtechnisch ALLE Stücke spielt? Eine, die man live nicht wechseln muss. Aber auch eine, deren Soundpotenzial ich ohne Gefrickel und viel soundfressendes Beiwerk in Form von Tretminen erschließen kann. Vielleicht mit einer Art Preset-System?”

Ein echter Pfeifentraum.

Oder auch nicht

Has the game changed?

Die signifikanteste Innovation der Gitarrenwelt der letzten 45 Jahre – so vollmundig bewirbt Leo Fenders Ernie Ball/Music Man den letzten Streich aus hauseigener Fabrikation. Nun: Die Wuchtel haben wir ja in genau diesen letzten 45 Jahren ja schon ein paar Mal serviert bekommen. Also, was ist jetzt die Innovation?

Die entsprechenden Gesten sind bei langjährigen Saitenstreitern schon in der körpereigenen DNA verankert und werden von Generation zu Generation weitergegeben: *R-R-Ratsch* den Pickup-Wahlschalter in die richtige Position gebracht, *Eier*, Volumeregler auf ganz arg, denn jetzt kommt das Solo. Ein Stromruder ist nun einmal das analogste aller analogen Weltwunder. “Innovationen” wie Push-Pull-Potis ersparen vielleicht den einen oder anderen Handgriff, ändern aber nichts an der “Analogheit” des Trägermediums.

Was in diversen Effekt-Racks, Multi-Tretminen und Amps mit digitaler GUI längst Usus ist, soll nun auch im Gitarrenbody selbst Einzug halten: Frei programmierbare, auf Knopfdruck abrufbare Presets.

*Schluck*

Also, ganz ehrlich, irgendwie hab ich’s ja schon geahnt, dass das irgendwann mal so kommen musste. Ernie Ball/Music Man haben ja 2010 mit dem “Big Al” schon tief in die Trickkiste gegriffen: einzeln anwählbare Pickups, Aktiv/Passiv-Umschaltung und 3-Band-EQ – sehr sophisticated, und das Bedienfeld sieht irgendwie aus wie eine echt alte 70er-Jahre-TV-Fernbedienung.

Enter “The Gamechanger Reflex (Bass-)Guitar”, nachzulesen unter gamechanger.music-man.com.

Video: Game Changer von Music Man

Was kann das denn?

Sooo viele Knöpfchen

Sooo viele Knöpfchen

Ohne nun mit technischen Specs aufwarten zu wollen (die sind ganz einfach selbst nachzulesen, außerdem ist – bis auf die Elektronik selbst – nichts Sensationelles aufzulisten), stelle man sich mal folgende Situation vor:

Soundcheck -> Gitarren- oder Bass-Held wurstelt an den Reglern herum, bis ihm ein Sound genehm ist (und des Tontechnikers Ohrenbluten versiegt) -> Gitarren- oder Bass-Held drückt das “Volume”-Poti zwei Sekunden lang, bewegt den 5-Positionen-Schalter in die gewünschte Speicherposition und wählt durch Drücken/Ziehen des “Tone”-Potis die Bank (A oder B), drückt “Volume” nocheinmal, fertig, gespeichert.

Gig: Gitarren- oder Bass-Held wählt unter 10(!) gespeicherten Sounds mit dem 5er-Schalter und Tone-Push-Pull-Poti.

So einfach geht das und tut gar nicht weh.

Kinkerlitzchen

Ach ja: Einen (optionalen) Piezo-Pickup hat Ernie Ball/Music Man auch noch spendiert.

Selbstverständlich hat das Teil einen USB-Anschluss – der, aus unerfindlichen Gründen, die für den Betrieb notwendigen 3(!) 1,5-Volt-AA-Batterien nicht auflädt. Akkus also sinnlos, danke für den Beitrag zum Umweltschutz. Aber trotzdem geil.

Noch was zum Schluss: Linkshänder-Versionen sind auf Anfrage in Planung, mehr darf aus welchen Gründen auch immer nicht verraten werden – Danke, liebe PR-Agentur.

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